Geschichte gleichgeschlechtlichen Liebens

Gleichgeschlechtliches Lieben ist heute stärker als je akzeptiert. Das Konzept der sozialen Geschlechtlichkeit, die sich über die körperliche Befasstheit hinwegsetzt, hat sich auch durchgesetzt. Männer in Frauen- , Frauen in Männerkleidern und entsprechendem gegenläufigem Rollenverhalten sind viel häufiger sichtbar. Das ist schwer durchgekämpft worden, und noch in vielen Ländern kein bisschen durchgesetzt.
Aber damit einhergehend hat sich, quasi durch die Hintertür, die konservative Annahme genetischer Ursachen für rollendivergentes Verhalten eingeschlichen und unterläuft damit das schöne freiheitliche Konzept wieder. Genetischen Ursachen so eine große Bedeutung zu geben, ist aber ein reaktionäres Konzept, ein konservatives Rollback, das von der genetischen Prägung von Verhaltensweisen, Charaktereigenschaften, Emotionen und Vorlieben ausgeht, obgleich das längst widerlegt ist. Und dem Menschen keine Chance sich zu entwickeln einräumt. Dabei hat man, seit den 30er Jahren in den USA, seit den 60er Jahren auch bei uns, in der Sozialwissenschaft und Psychologie das soziale Anpassungskonzept in der Entwicklungsforschung auf der ganzen Welt eindeutig nachgewiesen. Der Mensch entwickelt alle seine Verhaltensweisen durch Nachahmung, Anpassung, und Umwandlung. Natürlich hat er auch Anlagen, sie spielen eine absolut untergeordnete Rolle, denn sie müssen zur Entfaltung kommen und können unterdrückt werden. Ohne Förderung würde der Mensch sterben. Pädagogen aller Welt können das bestätigen. Ebenso Entwicklungsforscher. Sie sind z.B. auf der ganzen Welt herumgereist und haben die Eltern-Kind-Bindungs-Gesetze und wie förderlich sie sind, in allen Kulturen gefunden. Psychologie und Sozialwissenschaften wissen, der Mensch kann unendlich viel, er ist ein begabtes Wesen. Einengende Bedingungen hindern die meisten daran, sich zu entwickeln und Fähigkeiten zu erkennen. Das hat gesellschaftlich-historische oder persönliche Gründe, keine genetischen. Und dasselbe auf dem Gebiet der sexuellen Entfaltung, ob man gleichgeschlechtlich oder heterosexuell liebt, ist keine Frage, wie man ist, sondern, wie man liebt. Liebe ist Zufall, Prägung, Gelegenheit. In jeder Tierart kommt Gleichgeschlechtlichkeit vor. Diese Tiere haben keine anderen Hormone als andere. Das ist beim Menschen auch so. Doch wird es neuerdings anders gesehen. Wenn Kinder, die gesellschaftlichen Rollenmuster, festgeschriebene Männer- und Frauenrollen ablehnen, was soziologisch als Merkmal reifer und kritischer Persönlichkeit zu werten ist, wenn sie als Junge weder in dunkelblau, noch als Mädchen in rosa herumlaufen wollen, wenn sie sich als Junge die Haare nicht kurz rasieren lassen und als Mädchen keine Prinzessin sein wollen, wenn solche Kinder dann gesagt bekommen, dies sei ein Zeichen, dass sie sich in ihrem Körper nicht „richtig“ fühlten, wenn die dann von Ärzten hören, das es da Hormone gibt, dann wird ein Rollenambiguitätsproblem, ein kritischer Umgang mit festgeschriebenen Männer- und Frauenmustern, was gesellschaftlich sehr wünschenswert wäre, zu einem genetischen Hormonproblem zurechtgestutzt.
So auch in der Sexualität. Homosexualität existiert ubiquitär. Sie ist eine Spielart. Sie kann zeitweilig oder dauerhaft gelebt werden. Sie ist kein Hormonproblem. Sie ist auch nicht etwas, was man ist, sondern was man lebt. Man hat sich dazu entschieden. Um sich anzupassen, kopieren diejenigen, die homosexuell lieben, manchmal die erwarteten gegensätzlichen Rollen. Je liberaler Gesellschaften auf Homosexualität reagieren, je weniger ist das nötig und gesellschaftlich erwartete Rollenmuster können von Menschen unterlaufen und im Lebensalltag anders gelebt werden. Wenn man aber Homosexualität zu einem Hormonproblem, garniert mit einem angeblich genetischen Ursprung macht, so ist da dann plötzlich etwas körperlich festgelegt, und der kritische Blick auf Männer- und Frauen-Rollen-Zuschreibungen wird wieder ausgehebelt.
Es hat sich also eine konservative Gegenströmung mitten im schönsten liberalen Trend des Konzepts sozialer Geschlechtlichkeit entwickelt. Insofern müssen wir heute wieder fragen und das offenbar diskutieren: Werden Mädchen oder Jungen im Laufe ihres Lebens, in Art heutiger Erwartungen, erst durch etwas gemacht, oder werden sie schon so geboren? Nein, sie werden gemacht. Durch uns. Durch unsere Umwelt, unsere Geschichte, durch sämtliche Einflüsse, die einwirken. Ebensogut könnten wir fragen, wie es einst die alten Ägypter taten: Werden die Kinder schon mit einer bestimmten Sprache geboren? Die Ägypter glaubten daran und setzten die Kinder allein in der Wüste nur mit Ziegen aus, die meisten starben, die überlebten, lernten die Sprache der Ziegen. Sprache und damit Denken und Verhalten, lernt ein Kind allein durch Nachahmung. Wer schon mal gesehen hat, wie ein Kind die Sprache lernt, wie genial das ist, wie genau das Kind beobachtet in dieser Phase, der weiß genug.
Mir ist unerfindlich, wie heute moderne junge Menschen wieder an den reaktionärsten Mist unserer Großeltern glauben können, dass Verhaltensweisen, Vorlieben, Gefühle, sexuelle und sonstige, genetisch und hormonell, von Geburt an festgelegt seien. Doch sie tun es. Einziger Unterschied des heutigen Trends zu unseren Großeltern, er kann sich als super modern präsentieren, weil man nun ja hormontechnisch und chirurgisch alles möglich machen kann. Schon ein Kind kann durch Hormongaben angeblich sein Geschlecht frei wählen, es kann sich, dies wird als einfach und schmerzfrei dargestellt, Brüste und Penis aboperieren lassen, die Vagina zunähen lassen, es kann sich Muskeln, Bart und Haare mehr oder weniger wachsen lassen, ganz nach Wunsch. Ärzte machen es möglich. Oh, dieser Trend ist gefährlich! Er schafft Leiden. Denn es stimmt so nicht. Den Rollenmustern entgeht man so nicht, die holen einen wieder ein, wenn man sie nicht kritisch sehen darf, sich selbst findet man nicht, wenn man sich Schmerzen zufügen und seinen Körper zerschneiden lässt, nicht wenige derjenigen, die so etwas heute mit sich haben machen lassen, bereuen diese Schritte nachher.

Und gibt es nicht zu denken: Im Iran, wo die Frauen seit Jahrzehnten gegen die unterdrückende Kleiderordnung kämpfen, wo es bei schweren Strafen verboten ist offen gleichgeschlechtlich zu lieben, da ist das Umoperieren erlaubt und gewünscht. Es liegt im Trend. Im reaktionären Iran lag der Ursprung der Umoperations-Chirurgie. Frauen liefen in Scharen und wollten sich umoperieren lassen. Und auch Männer, die die traditionellen Rollenerwartungen kritisch sahen. Das schien der Ausweg, dann war plötzlich alles erlaubt. Das ist nicht Umsetzung des Konzepts sozialer Geschlechtlichkeit, das ist finsterstes Mittelalter. Das ist nicht Offenheit für alle Varianten gleichgeschlechtlichen Lebens, sondern Rollen-Festlegung per defintionem, per Hormon und Körperlichkeit.

Ach, wie wäre es doch schön, wenn es wieder eine Bewegung gäbe, die nur die gesellschaftlich erwarteten Rollenbilder von Frauen und Männern infrage stellen würde, und nicht gleich den eigenen Körper. Eine Bewegung, die schon auf so einem guten Wege war, wo es dem Mann erlaubt ist, lange Haare schön zu tragen, ohne als Mädchen verlacht zu werden, und der Frau, sportlich und selbstbewusst zu sein, ohne als rauhbeinig zu gelten. Bisher ist dies höchstens im höheren intellektuellen Bürgertum und nur den Erwachsenen erlaubt, Kinder aller Kitas, aller Schulen sind heute stärker als je extrem festgelegten Rollenmustern ausgeliefert. Na klar, sagen die Intellektuellen, macht ja nichts, sie können ja heute frei wählen, was sie später sein wollen, können ja dann Hormone nehmen, zu Chirurgen gehen… ohje. Das soll frei wählen sein? Männer und Frauen haben sehr ähnliche Körper. Sie unterscheiden sich nur wenig. Warum den Unterschied nicht akzeptieren? Aber in der Gesellschaft werden tausend andere Unähnlichkeiten zwischen Männern und Frauen phantasiert. Verhaltensweisen, Fähigkeiten, Emotionen, in allem sollen sie sich unterscheiden, historisch werden Frauen seit 5000 Jahren unterdrückt, für weniger Wert gehalten, alles aus Gebärneid angeblich. Immer noch werden Frauen geldmäßig, rentenmäßig, auf Sozial- und Berufsebene extrem benachteiligt, und statt dagegen anzusteuern, wird schon wieder vom Primat der Genetik geredet! Oh, das hatten wir schon mal, das hat uns schon einmal ins Verderben geführt. Noch meine Mutter lernte in der Schule, dass der Abstand der Ohrläppchen zum Mund, die Höhe der Stirn, die Farbe der Haare und Augen etwas über den Charakter und die „Rassenwertigkeit“ eines Menschen aussagen würde, sie lernte da auch, das Mädchen anlehnungsbedürftig und Männer stark zu sein hätten. Aber sie zog mich niemals rosa an und sagte mir immer, dass Frauen einen eigenen Beruf brauchen im Leben.

Ach, man sollte die Farben rosa und olivgrün, weltweit vertrieben von Billigkleidungs- Konzernen, als Mädchen- und Jungenfarben verbieten, dafür wäre ich. Und die Ärzte dürften keine Propaganda für ihre Hormontherapien machen und nicht an den Umoperations-OPs verdienen. Stattdessen müsste soziale Ungleichheit zwischen Männern und Frauen beseitigt werden. Gleiche Rechte! Dafür kämpfen! Und die festgeschriebenen Rollenerwartungen auflösen, kritisch sehen und dagegen an leben.